Werden Sie zum Politiker

Netzwerken wie Politiker

Tatsache ist, dass die meisten Menschen eigentlich nur einen Fehler begehen, der sie dann daran hindert, mithilfe ihrer Beziehungen ihr Leben etwas leichter zu gestalten: sie nutzen ihre Kontakte einfach zu wenig.

»Sind Politiker bessere Netzwerker?«

Ich fragte einmal einen Bundestagsabgeordneten der CDU, wie viel Zeit ein guter Abgeordneter in die Pflege seines persönlichen Netzwerks investiert und wie viel Zeit er (oder sie) in die tatsächliche politische Arbeit stecken kann. Er meinte, dass Politiker, die erfolgreich sein möchten, 70-85% ihrer verfügbaren Ressourcen in die Netzwerkpflege investieren. Entsprechend wenig Zeit bliebe noch für die eigentliche parlamentarische Arbeit. Ich meinte, dass dann die schlechte Meinung der Öffentlichkeit über Politiker ja durchaus gerechtfertigt sei, schließlich würden wir unsere Repräsentanten dafür wählen, Politik und nicht Beziehungen zu machen. Der Abgeordnete entgegnete mir:

„Sie können ihre politischen Ziele nicht durchsetzen, wenn Sie keine Unterstützung ihres Netzwerks haben. Ihr Netzwerk ist wie das Getriebe Ihres Autos. Wenn Sie nicht mit 8000 Umdrehungen nur 20 km/h fahren möchten, sollten Sie in der Lage sein, ein paar Gänge hoch zu schalten. Ohne gutes Getriebe kommen Sie nicht weiter und die Menschen, die Sie gewählt haben, werden enttäuscht sein. Dies ist dann das Ende Ihrer politischen Karriere. Davon hat niemand etwas, am wenigsten die Menschen in Ihrem Wahlkreis.” (Ein Bundestagsabgeordneter der CDU)

Und tatsächlich: Im bereits erwähnten Buch „Connected!“ untersuchten die Autoren den Zusammenhang zwischen guter Vernetzung von Politikern und deren Erfolg, Gesetze einzubringen und zu verändern:

„[…] man sollte annehmen, dass Abgeordnete, die aufgrund ihrer guten und breit gestreuten Beziehungen […] eher in der Lage sind, die Politik […] zu beeinflussen. Diese Vermutung bestätigt sich. Abgeordnete des (US- amerikanischen, Anm. d. Red.) Repräsentantenhauses […] setzen dreimal so viele Änderungen an Entwürfen durch, (wie schlechter vernetzte, Anm. d. Red.). Bei Abgeordneten […] des Senats war der Unterschied sogar noch größer: gut vernetzte Senatoren setzen siebenmal so viele Änderungen durch. Gute Vernetzung ist also eine entscheidende Voraussetzung dafür, Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu nehmen.“

– Nicholas A. Christakis u. James H. Fowler –

(Autoren “Connected”)

Was im politischen Geschäft sehr einleuchtend ist, vergessen wir in unserem „normalen“ Leben leicht. Die meisten von uns arbeiten viel, engagieren sich, tragen Verantwortung.

Wir kennen viele Menschen, viele Menschen kennen uns. Einige davon schätzen uns und wären sogar bereit, uns in diversen Sachverhalten zu helfen. Doch wir tendieren dazu, nicht nach Hilfe zu fragen. Wir wollen durch unsere Leistungen weiter kommen, wir wollen niemanden nerven, wir wollen keine Belastung sein. Vielleicht scheuen wir uns auch davor, uns helfen zu lassen, weil wir dann selbst eine Verpflichtung eingehen. In der Tat gibt es ein erstaunliches Phänomen: Menschen, die aufgrund ihres „korrekten“ Verhaltens, ihrer hohen Moralvorstellungen und ihrer Integrität auffallen, haben sehr viele potenzielle Unterstützer, die sofort bereit wären, in jeder Art und Weise zu helfen. Doch dieses Potenzial wird selten ausgeschöpft, weil gerade die integren Menschen ungerne um Hilfe bitten. Der Grund ist wahrscheinlich, dass jemand mit hohen Moralvorstellungen sich stark verpflichtet fühlt, wenn er Hilfe bekommt. Er will diesen Gefallen auf jeden Fall wieder „zurückgeben“. So fühlt er sich bei jeder Unterstützung durch andere, als ob sein „Verpflichtungskonto“ immer tiefer in den Dispo rutscht. Menschen mit weniger Ehre vergessen schnell, wenn andere ihnen helfen und belasten sich entsprechend weniger. Das Ergebnis ist, dass ausgerechnet diejenigen, die Unterstützung verdient hätten, keine erhalten, während die Vitamin B-Vampire sich offensiv, “dreist und ohne schlechtes Gewissen bei allen Anlässen von anderen helfen lassen. Entsprechende Charaktere findet man dann auch oft oben in den Führungsetagen, die „Guten“ bleiben oft im mittleren Management zurück. Denn nur, wer Beziehungen nutzt, kommt wirklich weiter.

Vitamin B und ehrliche Leistung – Ein Widerspruch?

Da ich davon ausgehe, dass Sie zu den „Guten“ gehören, möchte ich Sie ermahnen: Lassen Sie nicht zu, dass immer wieder diese undankbaren Energiefresser nach vorne stürmen, nur, weil sie dreist genug sind, sich überall Hilfe zu schnorren. Ich verstehe Sie, es ist wirklich ein edler Zug von Ihnen, eher durch Leistung als durch Beziehungen vorwärts kommen zu wollen. Auch ist es löblich, dass Sie nicht ständig Ihre Freunde und Bekannten mit Ihren Angelegenheiten belästigen wollen. Dies heißt aber, dass Sie sich permanent in einem Netzwerk bewegen, das zwar existiert, aber nicht aktiv ist. Um das obige Beispiel aufzugreifen: Sie sitzen in Ihrem Porsche, drücken das Gaspedal voll durch, schalten aber nicht aus dem ersten Gang hoch. Das Resultat kennen wir alle: ein ziemlich hektisches Leben, zu wenig Freizeit, zu wenig Raum für die, die wir lieben, zu wenig Platz für unsere persönlichen Träume.

Dabei haben wir fast alle Voraussetzungen, um „ein paar Gänge höher zu schalten“ und eine nettere Fahrt durch unser Leben zu haben. Nur die wichtigste Voraussetzung fehlt uns: unser Selbstverständnis als Zentrum eines leistungsstarken Netzwerks.

This website uses cookies to ensure you get the best experience on our website.