Die 7 Elemente eines guten Netzwerks. Der Umgang miteinander/Rituale und Förmlichkeiten

Durch die Beobachtung des Umgangs der Mitglieder eines Netzwerks untereinander können Sie wesentlich mehr über das Wesen der jeweiligen Institution erfahren, als aus Informationsunterlagen und Gesprächen mit den Organisatoren. Schon Baltasar Gracián schrieb in seinem „Handorakel“ von 1647: „Die Erfahrenen fühlen der Seele den Puls an der Zunge“ und bezog sich dabei wiederum auf Sokrates, der sagte „Sprich, damit ich Dich sehe!“.

Der Umgang miteinander/Rituale und Förmlichkeiten

Der Fitness-Studio-Test:

Vielleicht haben Sie selbst schon einmal die Erfahrung in unterschiedlichen Fitness-Studios gemacht: In einigen begrüßen sich die Mitglieder untereinander, man lächelt sich an, es wirkt, als ob sich viele untereinander kennen. Dies setzt sich dann auch immer bei den Mitarbeitern fort, die in solchen Institutionen ebenfalls freundlich und offen sind.

In anderen Studios jedoch trainiert jeder vor sich hin, man blickt sich nicht an, und niemand begrüßt den anderen. Meist ist derselbe Stil dann auch beim Team zu finden, das unaufmerksam und teilweise geradezu unfreundlich ist. Sie können davon ausgehen, dass auch die Qualität der Trainer in den „distanzierten“ Studios schlechter ist und Sie entsprechende Ergebnisse für sich erzielen werden.

Umgekehrt werden Sie in den „freundlichen“ Studios feststellen, dass sowohl die Qualität des Trainings in Kursen, als auch die generelle Qualität der Organisation besser ist. Denn in den Einrichtungen, in denen die Mitglieder aktiv und konstruktiv miteinander kommunizieren, gibt es auch mehr konstruktive Kritik, wenn etwas nicht perfekt läuft, Missstände werden angesprochen (und Lösungsvorschläge gemacht), engagierte Mitarbeiter erhalten direktes positives Feedback und werden so motiviert, Anfänger in Kursen erhalten Unterstützung durch erfahrene Mitglieder, usw. Ich habe zahlreiche solcher Sporteinrichtungen getestet und diesen interessanten Effekt jedes Mal spüren dürfen. Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen einem Raum mit Fitness-Geräten und Kursen und einem echten „Club“, also einem Netzwerk von Sport-Treibenden. Um also festzustellen, ob ein Sportstudio allgemein gut ist, müssen Sie eigentlich nur eine Stunde am Empfangstressen, bzw. der Bar verbringen und beobachten, wie die Mitglieder und das Team miteinander sprechen, wie „die Seele“ der Institution ist.

Ähnlich ist es bei Organisationen, denen Sie aus Zwecken der besseren Vernetzung mit anderen beitreten wollen, den „Fitness-Studios für Beziehungen“.

Der Umgang miteinander/Rituale und Förmlichkeiten

Habitus, Förmlichkeit und Rituale

Jede Gruppe von Menschen pflegt einen gewissen Grad an Förmlichkeit und Regeln im Umgang miteinander, an dem Sie ablesen können, wie die jeweilige Gruppe funktioniert. Das Wort „Förmlichkeit“ wird im Duden mit „vorgeschriebene Form“ beschrieben. Es gibt hier einen klaren Unterschied, ob eine Gruppe „Gewohnheiten“ hat, also unbewusst wiederkehrende Handlungsmuster (Sie kennen das: Unbeabsichtigt setzen sich immer dieselben Leute am Tisch nebeneinander, man begrüßt automatisch immer dieselben Menschen zuerst, etc.) oder ob es förmliche Gesetze gibt, die vielleicht ungeschrieben, aber deshalb nicht weniger wichtig sind (z.B. eine gewisse Sitzordnung, einen klar geregelten Ablauf von Netzwerk-Veranstaltungen, eine besondere Form der Begrüßung, etc.).

Je professioneller ein Netzwerk, desto mehr dieser Gesetze gibt es meist und desto förmlicher wird es: In einem lockeren Freundeskreis wird weniger auf die Form als auf den Inhalt geachtet, beim Militär ist die Form maßgebend (egal, ob Sie ein Idiot sind, Hauptsache, Sie halten sich an die Vorschriften und tragen die Uniform korrekt). Für den Außenstehenden sichtbar werden diese ungeschriebenen Gesetze in all den kleinen Ritualen, die in menschlichen Gruppen stattfinden. „Ritual“ wird im Duden als „Vorgehen nach festgelegter Ordnung“ definiert. An anderer Stelle wird der Begriff etwas ausführlicher beschrieben:

„Das Ritual ist die „sozial stereotypisierte, zur Regelform gewordene Ablaufganzheit eines als korrekt geltenden Verhaltens.“ Wir Menschen „folgen Handlungsmustern, die den Stempel sozial gebilligter ›Richtigkeit‹ tragen.“ [3]

– Lexikon –

(„Religion in Geschichte und Gegenwart“)

„Rituale sind „kulturelle Äußerungen, die ihren Sinn in der Erhaltung und Bestätigung, der Festigung und Bekräftigung sozialer oder kultureller Ordnungen haben. […] Rituale haben also eine rätselhafte Zwischenstellung: Sie werden einerseits geplant, initiiert, inszeniert und ausgeübt, andererseits vollziehen sie sich quasi von selbst, schreiben den Beteiligten “ihre Handlungen weitgehend vor, und sie entfalten ihre Kraft umso effizienter, je undurchschauter ihre Wirkungsweise für die an ihnen Beteiligten bleibt.“ [4]

– Alfred Schäfer und Michael Wimmer –

(Autoren: „Rituale und Ritualisierungen“)

Rituale, formalisierte Handlungen, also die Bereiche, in denen alle Mitglieder einer Gruppe nach gleichen Regeln handeln, haben einen gewissen Zweck: Sie synchronisieren eine heterogene Gruppe und sorgen für ein Gemeinschaftsgefühl, das die Gruppe stärker und produktiver werden lässt. Dazu gibt es sogar wissenschaftliche Untersuchungen. Scott Wiltermuth von der Universität Stanford hat untersucht, wie sich Gemeinschaftstätigkeiten einer Gruppe auf die Kooperationsbereitschaft der Mitglieder auswirken. Er fragte sich, warum eigentlich in Militär, Religionsgemeinschaften und anderen „Communities“ immer gemeinsam gesungen, getanzt oder marschiert wird. Wiltermuth schickte jeweils drei Probanden als Gruppe zum Spazieren auf den Universitätscampus. Einige der Gruppen erhielten die Anweisung, im Gleichschritt zu laufen, die anderen liefen „normal“ herum. Später führte Wilthermuth ein Spiel mit den Teilnehmern durch: Die Probanden konnten Geld verdienen, reduzierten aber automatisch “den Gewinn der anderen Teilnehmer in der Gruppe, je mehr sie nach egoistischen Vorsätzen vorgingen – „Je mehr Geld ich bekomme, desto weniger die Gruppe“. Die anderen konnten sich vorab gegen die (vermuteten) Ego-Trips der anderen absichern, aber auch dieses misstrauische Verhalten reduzierte die Gewinnausschüttung. Die größtmögliche Auszahlung konnten die Probanden nur dann erreichen, wenn Sie an den Vorteil für alle dachten und tiefes Vertrauen in die guten Absichten ihrer Teamkollegen hatten: „Je mehr ich der Gruppe gebe, desto mehr erhalte ich selbst.“

Wie Sie jetzt schon vermuten, waren diejenigen, die mit ihrer Gruppe im Gleichschritt „marschiert“ waren, wesentlich vertrauensvoller und kooperativer, achteten mehr auf das Gemeinschaftswohl und weniger auf ihren eigenen Vorteil, als die Probanden, die ihren individuellen Spaziergang-Modus beibehielten. Gemeinsame Rituale eines Netzwerks – egal, ob dies Marschieren, Singen oder regelmäßige Treffen mit geregelten Abläufen sind) führen also zu einem Gemeinschaftsgefühl, Verantwortungsbewusstsein untereinander und einer höheren Produktivität der Gruppe.[5]

Rituale sind also die sichtbare „Spitze“ des Regel-Eisbergs, der die Funktion eines “Netzwerks bestimmt. In jeder menschlichen Gruppe gibt es Rituale: Von der Skatrunde bis hin zum Business-Club. Bevor Sie Teil einer Gruppe werden, sollten Sie in Ruhe diese sichtbaren Äußerungen der Regeln im Umgang miteinander beobachten. Denn ob Sie sich in einem Netzwerk wohlfühlen oder nicht, hat auch sehr viel damit zu tun, ob die dortigen Gesetze Ihnen entsprechen. Denn ausweichen können Sie ihnen kaum:

„Die Masse der Akteure macht zwar freiwillig mit, sie entscheidet aber nicht mit darüber, wie der Ablauf im einzelnen von statten geht, und am wichtigsten: während des Ablaufs können sie nicht ›aussteigen‹, ohne das Ritual nachhaltig zu stören, d.h. das Ritual entfaltet in seinem Ablauf eine Art geschlossene Eigendynamik, die die anfängliche Einwilligung zementiert, nahezu irreversibel macht, – wenn der Einzelne durch die Rücknahme seiner Einwilligung nicht aus der […] Gemeinschaft herausfallen will, bzw. sich nicht […] vor allen Instanzen rechtfertigen will.“ [6]

– Markus Euskirchen –

(Diss. „Militärrituale – Die Ästhetik der Staatsgewalt“)”

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